Prinzip Amicitia

Amicitia, lebenslange Freundschaft

Wesentliche Merkmale einer Studentenverbindung sind das Lebensbundprinzip, das Conventsprinzip und das akademische Prinzip, aufgebaut auf der akademischen Lehre, ausgehend vom Abschluss einer höheren Schule.

Dazu kommen zusätzlich Prinzipien, tradierte Grundsätze einer Verbindung, die meist auch die Satzung der Verbindung bestimmt. So weist auch die Satzung der KATV. Norica unter ihrem Vereinszweck neben anderem „Pflege der Lebensfreundschaft und Frohsinn…“, auf.

Das Amicitiaprinzip betont die Lebensfreude und das Lebensbundprinzip. Menschen verschiedener Ansichten und Interessen werden durch gegenseitigen Respekt und Achtung zu einem harmonischen Ganzen zusammengeschweißt.

Georg von Hertling (KStV Arminia zu Bonn im KV) der spätere deutsche Reichskanzler hielt in seiner Aktivenzeit im Alter von 20 Jahren am Katholikentag in Frankfurt eine Rede, die die Grundlegung der Prinzipien von KV und CV bedeutete. Er stellte die Begriffe Religion, Wissenschaft und Freundschaft als Leitsätze eines katholischen Verbindungsstudenten dar.

Damit hatte Hertling die Prinzipien für den KV vorgegeben. Hertling zitierte in seiner Rede: „Diese neuen Vereine erkannten, wie nur auf der sicheren Grundlage der Religion ein lebenskräftiger Organismus erwachse, nur durch das Band der Religion alle anderen Ideen zu einem harmonischen Ganzen vereinigt werden könnten. Nur an der Hand eines religiös-sittlichen Prinzips glauben sie, die erste Aufgabe lösen zu können, die sich stellte: die Heranbildung, echt männlicher Charaktere.“

Er forderte aber noch mehr: „Der Studierende vergesse sich gerne zu oft so weit, die Zeit des Studiums als eine Zeit schrankenlosen Genusses zu betrachten.“

Halt und die nötige Orientierung kann nur eine Form des Zusammenlebens geben, das nicht nur die nächste Prüfung und die nächste Party sondern auch die charakterliche, berufliche und soziale Gesamtentwicklung eines Mitgliedes im Auge behält. Eine Aufgabe, wie sie sich Hertling unter dem Prinzip Religion und Freundschaft vorstellt.

Für Aristoteles ist Freundschaft ein wichtiger Bestandteil einer funktionierenden Gesellschaft. Er gibt ihr auch einen höheren Stellenwert als Gerechtigkeit.

Im Altgriechischen bedeutet „philia“ neben Freundschaft auch Liebe. In diese Richtung hat Aristoteles auch die Freundschaft gesehen.

Michel de Montaigne sieht die Freundschaft nicht als gesamt gesellschaftliches Phänomen. Bei ihm ist Freundschaft etwas Einmaliges mit absolutem gegenseitigem Vertrauen, in der es kein Geschäft noch Anliegen gibt, als die Freundschaft selbst. Allerdings sieht auch er zwei Kategorien von Freundschaft. Die im absoluten gegenseitigen Vertrauen und jene des gegenseitigen Nutzens. Eine Lustfreundschaft lehnte er strikt ab.

„Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein“…

Dieses Zitat ist der deutliche Ausdruck für das Verständnis der Freundschaft als ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Sympathie und Vertrauen sind die wesentlichen Merkmale. Sympathie bedeutet Freud und Leid mit anderen zu teilen und Vertrauen wird durch Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Authentizität begründet.

Bei einem Freund kann man sich geben wie man ist, man braucht keine Rolle zu spielen, keine Maske tragen. Man kann sich einmal gehen lassen. Einem Freund kann man Vertrauen und man kann sich auf ihn verlassen, wenn man ihn braucht. Das sind auch nach einer Untersuchung englischer Soziologen die wichtigsten Merkmale einer Freundschaft. Diese Bild entspricht auch dem Lebensbundprinzip einer Verbindung. Die Geborgenheit unter Freunden, die Hilfestellungen, aber auch die wechselseitige Hilfe in Form einer Lebenshilfe, auch helfende Kontrolle zur Formung des Charakters.

Freundschaft hat auch in den verschiedenen Lebensphasen eine unterschiedliche Intensität. So treten in der Jugend Vertrauen und Hilfe eher in den Hintergrund. Vordergründig ist die gemeinsame Lebensfreude. Menschen mittleren Alters sehen in der Freundschaft einen zentralen Punkt. Freundschaft ist ein besonders wichtiges Element der sozialen Umwelt. Im Alter liegt der Schwerpunkt der Beziehungen nahezu ausschließlich bei der körperlichen wie seelischen Hilfe und Unterstützung durch den partnerschaftlichen Freund.

Schillers Worte: „Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein,“ beschreibt jene außerordentliche Beziehung des Vertrauens und die Einmaligkeit einer Beziehung vom Du zum Du. Freundschaft beinhaltet nicht nur Vertrauen es umfasst die Nächstenliebe und die Brüderlichkeit. Das ist die solidarische Verbundenheit des gemeinsamen Blickes in die gleiche Richtung.

Freundschaft ist der Weg, den wir gemeinsam in der Verbindung gehen um die Zukunft zu bewältigen.

 

Bb. Dr. iur. Wolfgang Esche